Stress

Stress - Grundlagen, Auslöser und Bewältigungsmöglichkeiten

4.1 Stress - Einführung

Nachdem einleitend bereits einige allgemeine Aussagen über Stress getroffen wurden, möchte ich mich nun aber einer etwas wissenschaftlicheren Betrachtung zuwenden.

Zunächst einmal sei erwähnt, dass es sehr viele Definitionen von Stress gibt. Es soll hier aber einleitend genügen, eine davon exemplarisch vorzustellen, da diese knapp die wichtigsten Facetten zusammenfasst, bevor wir uns genauer mit den einzelnen Aspekten von Stress befassen:

„Stress ist ein aus der Medizin stammender Terminus, der auch in der Psychologie angewendet wird. Er bezeichnet extreme Belastungen, die in einem Organismus Spannung, Störung oder Zerstörung hervorrufen, insbesondere die massiven Angstreaktionen im Gefolge solcher Belastungen. Die Stressursachen können körperlicher und seelischer Art sein [...]. Vor allem durch Dauerbelastung, welche die individuelle Belastungsfähigkeit weit übersteigt, wird eine Alarmreaktion (Notfallsreaktion) hervorgerufen, welche körperliche und seelische Abwehrvorgänge auslöst, um das gestörte Gleichgewicht des Organismus wieder herzustellen. Reichen die aggressiven und regressiven Entlastungs- und Abwehrmaßnahmen nicht aus, dann erfolgt ein Zusammenbruch der psychisch-somatischen Organisation. Die Stresswirkung hängt in starkem Maße vom Grad der individuellen Belastbarkeit ab; diese ist sowohl interindividuell als auch intraindividuell außerordentlich unterschiedlich. Die Stressforschung, welche sich in klinischer und experimenteller Verfahren bedient, wird in engem Zusammenhang mit der Erforschung der Probleme von Überforderung, Deprivation und Frustration durchgeführt.“[1]

Das Bild von Stress, welches mittels der Umfrage und diesen Definitionen aufgebaut wurde, ist sehr negativ besetzt. Zweifellos ist diese Betrachtung auch die, welche dem Thema der Arbeit zu Grunde liegt, da bei einer positiven Betrachtungsweise z.B. Stressbewältigungsprogramme ihren Sinn verlieren würden.
Dennoch sollte man sich einmal kurz den Gedanken durch den Kopf gehen lassen, wie ein Leben völlig ohne Stress aussehen würde. Dies würde bedeuten, dass es keine Herausforderung, keine Schwierigkeiten, aber auch keine neuen Bereiche, mit denen wir uns auseinandersetzen müssten, geben würde. Dies beinhaltet auch, dass es kaum noch einen Grund geben würde, den Verstand zu schärfen und neue Fähigkeiten zu entwickeln.[2]
Spannung muss nicht immer schädlich sein. „Stress kann eines der produktivsten Elemente im Leben sein.“[3] Durch Stress kommt Leistung zu Stande, die sonst nicht möglich wäre.

Zu Beginn will ich nun ein ganz grundsätzliches Stressmodell vorstellen, bevor ich genauer auf die verschiedenen Bereiche der Thematik eingehe.
Braun sieht den Konflikt als stressauslösendes Geschehen. Die Spannung wird dabei durch eine neue Situation ausgelöst. Auf diese Situation (S) wird eine Reaktion (R) angestrebt, die negative Konsequenzen (C-) verhindern soll.[4]
Als Beispiel nehmen wir hier einen Angestellten, der beruflich nur mäßig belastet ist und ausreichend Freizeit zur Verfügung hat.
Er fühlt sich in seiner Situation wohl, hat Spaß an der Arbeit und genießt seine Freizeit.
Nun wird er befördert (S). Er sieht dabei mehr Arbeit und Eigenverantwortlichkeit, sowie schwerere Aufgaben auf sich zukommen, wobei die Gefahr besteht, dies mit seinem derzeitigen Arbeitseinsatz nicht bewältigen zu können (C-).
Hier steht er jetzt vor der Aufgabe der Anpassung an die Situation. Er versucht die Spannung zu lösen, indem er Teile seiner Freizeit für die Arbeit opfert und sich zusätzlich in seiner restlichen Freizeit weiterbildet (R). Auf diese Weise lassen sich die befürchteten negativen Konsequenzen verhindern.

Wenn nun aber sowohl sie befürchteten Folgen der Beförderung als auch der Verzicht auf seine Freizeit als negativ empfunden wird, kommt es zu einem Konflikt, der Stress auslöst. Negative Konsequenzen sind somit unumgänglich.

Bei der Betrachtung von Stress muss zunächst die Unterscheidung zwischen akutem und chronischem Stress vorgenommen werden.
Akuter Stress ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Ereignis einen vorübergehenden Erregungszustand hervorruft. Als Beispiel kann man sich hier eine Klausur vorstellen. Vor und während der Klausur steht man unter Stress, danach sind die Stresssymptome jedoch wieder verschwunden.
Chronischer Stress wird dagegen durch einen kontinuierlichen Erregungszustand gekennzeichnet, bei dem die zur Verfügung stehenden Ressourcen zur Stressbewältigung als nicht ausreichend empfunden werden um sich den Anforderungen anzupassen.[6] Dies kann zum Beispiel bei der Frustration über dauerhaften Zeitmangel der Fall sein, was auch in den Umfragen als häufiger Auslöser von Stress genannt wurde.
Der Schwerpunkt der Betrachtung von Stress soll in dieser Arbeit auf dem Aspekt des chronischen Stresses liegen, wozu ich im nächsten Kapitel (Leistungsangst) auch noch ein Beispiel anführen werde.
Es lässt sich nicht immer ganz eindeutig zwischen akutem und chronischem Stress unterscheiden.
Wenn jemandem das Fahrrad gestohlen wird, bedeutet dies für die Person akuten Stress. Wenn jedoch dieses Erlebnis dazu führt, dass die Person in Zukunft in ständiger Sorge ist, dass das neue Fahrrad auch gestohlen werden könnte, ist aus dem akuten Stress, chronischer Stress geworden.[7]

Bei den Stressreaktionen gibt es große individuelle Unterschiede. Einige Menschen erleben ein „stressreiches“ Erlebnis nach dem anderen, ohne dabei zusammenzubrechen, während andere sogar bei „wenig“ stressreichen Situationen in große Aufregung geraten.[8] Für die eine Person kann eine bestimmte Situation also stressauslösend sein, während eine andere Person in der gleichen Situation absolut ruhig bleibt und dies zum normalen Alltag zählt.[9]
In den unterschiedlichen Angaben der Ereignisse, die als Stressauslöser gewertet werden, kündigten sich in der Umfrage diese interpersonalen Unterschiede bereits an.
Es kommt bei Stress also immer auf die ganz persönliche und individuelle Bewertung einer Situation an, ob diese nun als stressauslösend empfunden wird oder nicht. Die kognitive Bewertung ist ausschlaggebend für das Stressempfinden. Dies wiederum hängt von der persönlichen Situation und der Selbsteinschätzung ab, die darüber entscheidet, wie ein potentieller Stressor auf jemanden wirkt.[10]
Es bedarf nun der Klärung einiger Begrifflichkeiten. Zunächst wende ich mich dem Begriff „Stressor“ zu.

[1] Dietrich & Walter, 1972.

[2] Vgl. Schwarzer, 1993.

[3] Selye & Kerner, 1973, S.15.

[4] Vgl. Braun, 1978.

[5] Vgl. Braun, 1978.

[6] Vgl. Zimbardo & Gerring, 2004.

[7] Vgl. Ebd.

[8] Vgl. Schwarzer, 1993.

[9] Vgl. Zimbardo & Gerring, 2004.
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