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4.5 Messung von Stress
Um nun Voraussagen darüber treffen zukönnen, welche Situationen prädestiniert sind für Stresserleben, müsste man über Untersuchungen, Kriterien identifizieren, welche als besonders belastend empfunden werden.
Fest steht, dass die Belastung von der Art, Häufigkeit, Intensität und Dauer eines Reizes abhängt.
Jedoch stößt man bereits bei der Identifikation eines stressauslösenden Reizes auf Probleme:
Ist eine Belastung psychischer oder physischer Natur?
„Der Mensch ist eine psychophysische Einheit.“[1] Denn genau, wie psychische Belastungen Auswirkungen auf den Körper haben, so nimmt auch physische Belastung Einfluss auf die Psyche.
Wir merken also, dass wir bereits hier auf eine Hürde bei der Erfassung von Stress stoßen.
Um nun beispielsweise Informationen über die Zumutbarkeit von Arbeitsbedingungen an einem Arbeitsplatz zu bekommen, müsste eine zuverlässige Messung von Stress erfolgen.
Da aber nun jeder Mensch ganz individuell Stress empfindet, gestaltet sich dieses Unterfangen als äußerst schwierig.
Es gibt verschiedenste Ansätze, um eine Messung von Stress durchzuführen.
Zunächst bietet es sich an, Untersuchungen auf der physiologischen Ebene durchzuführen. Dabei wird unter anderem der Puls, die Atemfrequenz, der Blutdruck und die Hormonausschüttung beobachtet und gemessen.
Hier sind aber die Möglichkeiten, zuverlässige Informationen über das Erleben von Stress zu erlangen, sehr begrenzt.
Viele Erlebens- und Verhaltensmerkmale lassen sich nicht so einfach an physiologischen Veränderungen im Körper ablesen. Außerdem sind physiologische Faktoren immer mehrdeutig. Ein hoher Blutdruck muss zum Beispiel nicht automatisch durch Stress erzeugt worden sein.[2]
Ein weiterer Versuch zur Messung von Stress gestaltet sich darin, Fragebögen zu entwickeln, die sich auf folgende Punkte beziehen:
* psychosomatische Beschwerden (z.B. Kreislaufbeschwerden, Magen- oder Kopfschmerzen)
* subjektives Befinden (z.B. Selbstwertgefühl und Lebenszufriedenheit)
* psychische Störungen (z.B. Angst, Depressionen oder Gereiztheit)
* Verhaltenssymptome (z.B. Alkohol- oder Drogenkonsum)
Diese Aspekte werden auch in psychometrischen Skalen aufgegriffen, die meist kritische Lebensereignisse ansprechen.
Bei diesen Skalen werden Personen dazu angehalten, auf einem Fragebogen verschiedene vorgegebene kritische Lebensereignisse anzukreuzen, die in letzter Zeit in ihrem Leben auftauchten. Es kann sich dabei sowohl um negative als auch um positive Ereignisse handeln.
Hier stellt sich nun wieder das Problem, dass mit Hilfe solcher Fragebögen, nicht jede individuelle Situation zuverlässig erfasst werden kann. Zusätzlich stellt sich die Frage, ob nicht das Ausbleiben eines erwarteten Ereignisses ebenso als kritisches Erlebnis gewertet werden muss.[3]
Sinnvoll wäre sicherlich eine Kombination aus den verschiedenen Methoden. Es muss aber gesagt werden, dass es keine zuverlässigen Messverfahren zur Ermittlung von Stress gibt. Stress ist zu individuell geprägt. Es spielen sehr viele Faktoren in das Stresserleben hinein. Jede Situation kann auf verschiedene Personen unterschiedlich wirken.
„Wir stehen hier vor einer Reihe von diagnostischen Problemen, die bis heute weitgehend ungelöst geblieben sind.“[4]
Im folgenden Kapitel soll deshalb ein konkretes Beispiel für einen Auslöser gegeben werden, der auf eine bestimmte Personengruppe stresserzeugend wirkt. Ich werde mich mit Leistungsangst befassen. Wie also hier zu Genüge deutlich gemacht werden sollte, kann man nicht daraus schließen, dass die dargestellten Bedingungen auf alle Menschen stresserzeugend wirken.
[1] Pornschlegel, Sardt & Zimmermann, 1982, S. 137.
[2] Vgl. ebd.
[3] Vgl. Schwarzer, 1993.
[4] Schwarzer, 1993. S. 35.
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