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6.1.2 Lern- und Ãœbungsphase
Die Übungsphase nimmt die Hauptzeit der Gruppentreffen in Anspruch. Die Klienten sollen in dieser Phase lernen, ihren Stress selbstständig zu analysieren.[18]
Ihnen soll dazu eine Vielfalt an Methoden an die Hand gegeben werden.
Dies beinhaltet Methoden des unmittelbaren Handelns und Methoden der gedanklichen Auseinandersetzung.[19]
Es gibt generell drei Ebenen der Methoden, mit denen man Stress begegnen kann ( Problemlösen, Entspannung und Belastungsausgleich). Auf diese werde ich aber zu einem späteren Zeitpunkt genauer eingehen.
Das Ziel dieser Phase besteht aus dem Aufbau und der Stabilisierung von vielfältigen intra- und interpersonalen Bewältigungsstrategien. Die Änderung der Bewertung von Stress und das Erlernen von effektiven Bewältigungsstrategien stehen hier im Zentrum.
Beispiele für Übungskomplexe können sein:
- Ãœbungen zur Selbstbeobachtung
- Entspannungsverfahren
- themenzentrierte Gruppengespräche
- Kommunikationstechniken
- Ãœbungen zur sozialen Kompetenz
- positive Selbstinstruktionen
- Problemlösetrainings
- Methoden zur Einstellungsänderung
- Gymnastik
Den Teilnehmern wird während des Stressbewältigungsprogramms nahe gelegt, die für sie passenden Methoden selbstständig auszuwählen und einzusetzen.[20]
Ich wende mich hier nicht der genaueren Analyse der einzelnen Übungen zu, weil ich an späterer Stelle in den drei Schwerpunkten von Trainingsprogrammen, noch genauer auf einige Übungskomplexe eingehen werde.
Es sollen nur zwei spezielle Übungen vorgestellt werden, die sich in der Anfangsphase gut einsetzen lassen. Sie bilden eine Verbindung zwischen der Informationsphase und der Übungsphase. Es sind zwei allgemeine Methoden, die in jedem Stressbewältigungstraining eingesetzt werden können, da sie die Grundlagen einer Auseinandersetzung mit sich selbst ansprechen und somit für jedes Training als Einstieg geeignet sind.
Ãœbung zur Selbstbeobachtung/ Selbsterfahrung
Voraussetzung eines jeden Trainings ist, das Erkennen des persönlichen Empfindens. Veränderungsmaßnahmen werden immer erfolglos bleiben, wenn das, was verändert werden soll, unklar ist. Es ist also ein gewisses Maß an emotionaler Kompetenz gefordert, um sich mit den eigenen Gefühlen auseinander zu setzen.
Als Einstieg sollten also immer solche Übungen ausgewählt werden, die helfen, die Selbstbeobachtung und Selbstbewertung zu präzisieren. „Sie [Selbstbeobachtung] ist eine wichtige Voraussetzung für die Erstellung einer Problemanalyse und die Ableitung von Veränderungszielen. Durch Selbstbeobachtung ist es möglich, Annahmen über das eigene Verhalten zu überprüfen und eine realistische Ausgangsbasis für Veränderungen zu gewinnen.“[21]
Der Gruppenleiter fordert die Teilnehmer auf, zwei Geheimnisse auf einen Zettel zuschreiben. Danach werden die Zettel vermischt und wahllos verteilt. Reihum werden die Geheimnisse auf den Zetteln vorgelesen. Dabei haben die Klienten die Aufgabe, auf ihre Gefühle zu achten, wenn ihr Geheimnis in der Gruppe vorgelesen wird.
Eine andere Möglichkeit besteht darin, einen Teilnehmer in die Mitte eines Kreises der übrigen Teilnehmer zu stellen und nun die Gruppe dazu aufzufordern, den Einzelnen auszubuhen und auszulachen. Auch hier werden nachher in der Gruppe die Empfindungen besprochen, die die Klienten in der Mitte des Kreises hatten.[22]
Eine Ãœbung zur angemessenen Selbstbewertung kann so aussehen:
Die Teilnehmer werden gebeten, sich an eine Stresssituation in ihrem Leben vorzustellen und dann einzuschätzen, zu wie viel Prozent dieser Stress ihr Leben bestimmt.
Zunächst werden die Personen wahrscheinlich beschreiben, dass die ausgewählte Situation das Leben zu nahezu 100 % bestimmt. Daraufhin wird in der Gruppe über die Stresssituationen gesprochen, wobei verschiedene Handlungsalternativen und positivere Sichtweisen erarbeitet werden. Danach sollen die Teilnehmer ihre ausgewählte Situation erneut einschätzen. Voraussichtlich wird die Situation dann als wesentlich weniger dominant eingeschätzt. Die Teilnehmer sollen hier lernen, ihre Situation peu à peu etwas objektiver einzuschätzen.[23]
Shame- attacks
Die letzten Übungen die ich vorstelle, sind die shame-attacks oder Schambekämpfungsübungen.
Ein Stressbewältigungsprogramm kann nur dann erfolgreich sein und zu einer positiven Veränderung führen, wenn die Teilnehmer dazu bereit sind, persönliche Verhaltensweisen und Gedanken offen vorzutragen.
Die shame-attacks sollen zu Beginn der Gruppensitzungen die Offenheit der Teilnehmer fördern.
Die Aufgabe besteht darin, etwas peinliches oder blamierendes zu tun. „Sie [schame-attacks] dienen dazu, belastende Schamgefühle abzubauen, indem die Person bewusst etwas tut, was sie blamabel oder peinlich findet. Dadurch ist es möglich, die Erfahrung zu machen, dass eine solche Handlung zwar vielleicht unangenehm ist, aber keine derart negativen Konsequenzen hat, wie der Durchführende sich vorher ausgemalt hat.“[24]
Die Umwelt soll dadurch als kontrollierbar erlebt werden. Beispiele für eine solche Übung sind:
- eine Spielzeugente durch die Fußgängerzone hinter sich herziehen
- durch den Raum hüpfen und wie ein Frosch quaken[25]
Das Ziel ist es, wie gesagt, den Teilnehmern zu erleichtern, über ihre persönlichen Probleme zu reden.
[18] Vgl. ebd.
[19] Vgl. Meichenbaum, 1979.
[20] Vgl. Meichenbaum, 1991.
[21] Schelp, Maluck &Gravemeier, 1997, S. 50.
[22] Vgl. ebd. S. 49.
[23] Vgl. Schelp, Maluck &Gravemeier, 1997.
[24] Schelp, Maluck &Gravemeier, 1997, S. 48.
[25] Vgl. Ebd.
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