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5.2 Innerpsychische Faktoren
Die Kausalattributation spielt bei misserfolgsängstlichen Personen eine wichtige Rolle. Dies bezeichnet die Suche nach Ursachen, die für das Ergebnis verantwortlich sind.
Für die Erklärung von Leistung lassen sich sowohl externale als auch internale Ursachen heranziehen. Unter externalen Ursachen kann man sich Faktoren, wie Hitze, schlechte Luft, strenger Prüfer, Zufall etc. vorstellen. Dies sind also Aspekte einer Situation, auf die die betroffene Person keinen Einfluss nehmen kann.
Unter internalen Ursachen fasst man zum einen die eigenen Fähigkeiten zusammen, zum anderen, die eigene Anstrengung. Diese Ursachen liegen also in der Person selbst. Die eigenen Fähigkeiten haben eine gewisse Konstanz. Die Person kann sie nicht direkt beeinflussen, sondern muss sie als mehr oder weniger gegeben hinnehmen. Die eigene Anstrengung kann derweil durch eigenen Willen beeinflusst werden.[21]
Typisch für erfolgszuversichtliche Menschen ist, dass bei Erfolg, die eigene Anstrengung und Tüchtigkeit als Ursache gesehen wird. Misserfolg hingegen, wird unzulänglicher Anstrengung und Pech zugeschrieben. Ein Misserfolg kann zwar ärgerlich sein, entmutigt aber nicht, weil man sich beim nächsten Mal wieder verbessern kann. Selbstbelastende Zweifel bleiben also aus. Als Fazit nimmt die Person dann aus dem Misserfolg mit: Wenn ich mich das nächste Mal mehr anstrenge, wird es klappen!
Erfolg führt dagegen zu einer positiven Selbstbewertung, indem man stolz auf die eigene Tüchtigkeit ist. Anforderungssituationen werden demnach hier als attraktiv und interessant wahrgenommen.[22]
Ganz anders stellt sich die Situation bei misserfolgsängstlichen Personen dar. Bei der Kausalattributation werden hier bei Erfolgen, Glück oder die zu leichte Aufgabe als Begründung herangezogen. Die Kausalattributation beschränkt sich hier auf die externalen Ursachen, die nicht unter der eigenen Kontrolle stehen, variabel und situationsspezifisch sind. Misserfolg wird wiederum den eigenen mangelnden Fähigkeiten zugeschrieben und somit als stabil und nicht beeinflussbar wahrgenommen.[23]
Erfolge führen demnach nicht zu Stolz und Misserfolge werden bestenfalls durch absurd hohe Anforderungen erklärt, was selbstentlastend wirken kann, jedoch auch gleichzeitig die Erfahrung mit sich bringt, dass man bei einer Anforderung immer versagt. Misserfolge, die auf mangelnde Fähigkeit zurückgeführt werden, nehmen jede Hoffnung, sich beim nächsten mal zu verbessern. Eine negative Selbstbewertung ist somit unumgänglich und ein erneutes Erleben von Stress ist bei der nächsten Anforderung vorprogrammiert.
Neben der Kausalattributation gibt es aber noch weitere innerpersonale Merkmale, welche die Misserfolgsängstlichkeit fördern.
Die Selbstverbalisation ist von entscheidender Bedeutung bei der erfolgreichen Lösung von Aufgaben. Misserfolgsängstliche Personen neigen dazu, wenig nützliche Äußerungen zu machen: „Jetzt komme ich ganz durcheinander“, „Ich hatte noch nie ein gutes Gedächtnis“, etc.
Erfolgszuversichtliche Personen beobachten dagegen ihr eigenes Arbeitsverhalten und geben sich über die Selbstverbalisationen Instruktionen, wie sie die Aufgabe am Besten bearbeiten: „Je schwieriger es wird, desto mehr muss ich mich anstrengen“, „Ich sollte langsamer vorgehen und diesen Punkt erst mal auslassen“, etc.
Die Selbstverbalisation von misserfolgsängstlichen Menschen ist somit nicht aufgabenbezogen und kann zusätzlich zu einer sich selbsterfüllenden Prophezeiung werden und so den Erfolg blockieren.[24]
Diese nicht aufgabenbezogene Selbstverbalisation leitet uns zum Punkt der Aufmerksamkeitssteuerung. Es wurde festgestellt, dass misserfolgsängstliche Personen ihre Aufmerksamkeit nicht so gut fokussieren können, sondern schneller von nebensächlichen Reizen abgelenkt werden. Dusek führte dazu ein Experiment durch, mit dem er belegte, dass die Aufmerksamkeit stärker auf aufgabenirrelevante Aspekte gerichtet ist. [25]
Dies müssen aber nicht nur Umweltreize sein. Oft handelt es sich dabei um die Wahrnehmung der eigenen Aufgeregtheit und um Zweifel an der eigenen Kompetenz, d.h. Zweifel am Ausreichen der Ressourcen zur Problembewältigung. Stress wird ausgelöst, was wiederum die Leistungsfähigkeit blockiert und somit kontraproduktiv wirkt.
Wenn jemand Misserfolg erwartet und bei der Bearbeitung einer Aufgabe Angst erlebt, wird diese Begleitemotion wiederum zur Informationsquelle. Misserfolgsängstliche nehmen Erregtheit als ängstlich und leistungshemmend wahr. „Der Schüler spürt seine Angst und entnimmt daraus die Gewissheit, dass seine Kompetenz nicht ausreicht, um die Aufgabe zu lösen.“[26] Erfolgszuversichtliche Personen deuten diese Aufgeregtheit als anregend und leistungsmobilisierend.
Zusammenfassend lässt sich die Beschreibung der beiden Verhaltensmuster folgendermaßen festhalten: „Bei den Hochängstlichen dominieren die statischen Kognitionen, die mit Selbstzweifel verbundenen Attributationen, die gedanklichen Beschäftigungen mit negativen Handlungsergebnissen, die mangelnde Erwartung von Selbstwirksamkeit, das Abschweifen von der Situation und die öffentliche Selbstaufmerksamkeit. Bei den Niedrigängstlichen dominieren die problemlösungsrelevanten Kognitionen, die situationsangemessenen und handlungssteuernden Überlegungen bzw. die Sachaufmerksamkeit.“[27]
Es sollte in diesem Abschnitt deutlich gemacht werden, wie stark das Erleben von Stress von individuellen, innerpersonalen Denkstrukturen bestimmt wird. Die Bewertung der eigenen Ressourcen ist ein Kernstück der Stresstheorie.
Das Empfinden von Stress ist also sehr stark personenabhängig.
[20] Vgl. ebd. S. 42.
[21] Vgl. Miezel, 2002.
[22] Vgl. Rheinberg & Krug, 1999.
[23] Vgl. Schwarzer, 1993.
[24] Vgl. Ebd.
[25] Dusek, 1980; nach Schwarzer, 1993.
[26] Schwarzer, 1993. S. 13.
[27] Schwarzer, 1993. S. 155- 156.
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