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3. Das Material
In diesem Kapitel soll das Material, welches schon öfters erwÀhnt wurde, genauer betrachtet werden.
Wie alles in der Montessori-PĂ€dagogik, zielt der Umgang mit den Materialien auf eine innere Ordnung des Kindes (bei Montessori auch âNormalisierungâ genannt)ab.
Das Material basiert zum Teil auf den Ideen von Itard und SĂ©guin, wurde aber auch von Montessori selbst entwickelt und nach grĂŒndlichen Beobachtungen an den Kindern immer wieder verĂ€ndert und ergĂ€nzt.
Das Material hat autodidaktischen Charakter. Es wird leider oft falsch angewandt, indem die Erzieher/ Lehrer den Kindern den genauen Umgang damit vorschreiben. Es ist jedoch nicht so, dass es partout nur eine Möglichkeit des Umgangs gibt. Das Material lÀsst FreirÀume. Es soll AktivitÀt auslösen und nicht nur zur Reaktion animieren.
Es muss zwar eine kleine EinfĂŒhrung in den Gebrauch von Seiten des Lehrers/ Erziehers geben, jedoch sollte dieser sehr bedĂ€chtig und sparsam mit seinen Worten umgehen und das Kind eigene Entdeckungen machen lassen. Kinder brauchen EntdeckungsrĂ€ume.
In speziellen VortrĂ€gen und EinfĂŒhrungen in das Material werden die Erzieher/ Lehrer dazu angehalten, das Material selber auszuprobieren.
Ein wichtiger Punkt des Materials ist, dass es keine Probleme aufstellen soll, die gelöst werden mĂŒssen. Es ist vielmehr als Ăbung konzipiert, die den Kindern Platz fĂŒr eben diese Entdeckungen lĂ€sst.
Die Arbeit mit dem Material hat meist kein eindeutiges Ende. Im Gegensatz zu beispielsweise Knete, die irgendwann geformt ist, setzt hier allein das BedĂŒrfnis des Kindes der TĂ€tigkeit ein Ende.
In vielen Ăbungen wird das Kind ganzheitlich angesprochen. Das heiĂt, dass es sowohl kognitive, als auch motorische Impulse erhĂ€lt. Gerade die TĂ€tigkeit der Hand spielt eine wichtige Rolle, da sie fĂŒr sehr bedeutsam in Bezug auf die innere Sammlung und Heilung erachtet wird.
Die von Itard und SĂ©guin ĂŒbernommenen Ăbungen beziehen sich schwerpunktmĂ€Ăig auf die Förderung der Sinne und des Erlernens von rechnen, schreiben und lesen.
Generell gibt es folgende zentrale Punkte des Materials:
1. Das Material fordert nur zu begrenzten Ăbungen auf. Es wird nur ein Teil eines komplexen Sachverhalts angesprochen und verinnerlicht.
2. Die Kinder können ihre eigenen Fehler selber bemerken und korrigieren. Sie benötigen keine auĂenstehende Person, die ihnen ihre Fehler erklĂ€rt und damit eventuell eine Frustration auslöst.
3. Das Material ist so konzipiert, dass seine Verwendung leicht erkennbar ist und eine EinfĂŒhrung des Lehrers/ Erziehers nur in geringem MaĂe von Bedeutung ist.
Es gibt zum Beispiel das Sinnesmaterial. Bei diesen Ăbungen wird nur ein isolierter Sinn angesprochen, in dem sich die Aufmerksamkeit sammelt.
Die Eigenschaften von GegenstÀnden werden durch Isolierung der QualitÀt leichter und intensiver erfasst. Es kann zu einer meditativen Aufnahme kommen.
Eigenschaften, wie Farbe, GröĂe und Form sollen nicht durch Begriffe erlernt, sondern durch die Sinne entdeckt werden.
Die in den Ăbungen angesprochenen Dinge und Eigenschaften kennen die Kinder bereits aus ihrem Alltag, jedoch sind sie ihnen nur als diffuse EindrĂŒcke bekannt.
Mit Hilfe der Isolation der Eigenschaften sollen nun die Dinge geordnet und geklÀrt werden.
Das Kind lernt seine Umwelt besser zu verstehen.
Im folgenden Abschnitt werde ich einige Beispiele zu den Sinnesmaterialien geben:
Ă Die FarbtĂ€felchen: Es gibt einen Kasten mit 6 HolztĂ€felchen. 2 TĂ€felchen sind gelb, 2 rot und 2 blau. Zum leichteren Anfassen sind kleine Holzleisten am Rand jedes TĂ€felchens angebracht. Das Kind hat nun die Aufgabe jeweils die TĂ€felchen mit der selben Farbe zu Paaren zuordnen. Bei dieser Ăbung wird ausschlieĂlich die Eigenschaft der Farbe angesprochen. Die Unterscheidung der Farben wird geschult. AuĂerdem wird die Aufmerksamkeit fĂŒr Farbunterschiede geweckt. Es gibt fĂŒr die weitere Ăbung gröĂere KĂ€sten mit 18 oder 22 TĂ€felchen, deren Farben sehr fein abgestuft sind.
Ă Die Kommode mit 6 Schubladen: Es gibt eine Kommode mit 6 Schubladen. Jede Schublade enthĂ€lt unterschiedliche geometrische Formen aus Holz. So sind z.B. in der 1. Schublade Kreise, in der 2. sind Rechtecke, in der 3. Dreiecke , in der 4.Quadrate, in der 5. Trapeze und in der 6. Vielecke. Die Schubladen werden entleert und die Formen gemischt. Das Kind fĂ€hrt die Form eines jeden Gegenstands mit Zeige- und Mittelfinger nach und ordnet es wieder den einzelnen Schubladen zu. Dabei wird das Auge und der Tastsinn geschult. Auf den ersten Teil der Ăbung folgt ein zweiter: Es
gibt Karten, auf denen ein geometrischer Gegenstand auf verschiedene Weise abgebildet ist. Bsp.: Das Kind hat nun die Aufgabe, die HolzstĂŒcke auf die passenden Karten zu legen. Hier wird das Auge geschult und die AbstraktionsfĂ€higkeit gefördert.
Ă GehörbĂŒchsen: Dieses Material stellt eine Art GerĂ€usche- Memory dar. Es gibt mehrere Dosen, die mit unterschiedlichen Materialien gefĂŒllt sind ( z.B. Reis, oder Steinchen) jeweils zwei BĂŒchsen haben den selben Inhalt. Das Kind soll nun die jeweils gleichen BĂŒchsen zusammenstellen. Hier wird das Ohr gefördert und sensibilisiert.
Ă Die Glocken: Auch bei dieser Ăbung wird das Ohr angesprochen. Das Kind hat verschiedene Glocken vor sich, von denen jeweils zwei den selben Klang erzeugen. Das Kind schlĂ€gt die Glocken mit einem kleinen Hammer an und paart die gleichen Töne.
Ă Die roten StĂ€be: Es gibt 10 rote HolzstĂ€be, die sich in ihrer LĂ€nge unterscheiden. Der lĂ€ngste Stab ist 1 m lang, der kĂŒrzeste 10 cm. Bei dieser Ăbung kann der Umgang mit dem Material sehr flexibel sein. Die StĂ€be können der Reihenfolge nach geordnet werden, oder so gelegt werden, dass die LĂ€nge von 2 aneinanderliegenden StĂ€ben zusammen der LĂ€nge eines anderen Stabs entspricht etc. Das Kind erkennt dadurch die Reihenfolge der Abstufung und es wird zugleich das mathematische VerstĂ€ndnis gefördert. Es kann beispielsweise erkennen, dass 2x der 2. Stab= der LĂ€nge des 4. Stabs entspricht.[4]
Die Liste dieser Beispiele lieĂe sich noch weiter fortfĂŒhren, aber es sollte nur ein Einblick in die Beschaffenheit dieser Materialien gegeben werden.
Das Ziel ist, wie gesagt dem Chaos Ordnung zu vermitteln. âDas Kind drĂ€ngt aus seiner Dumpfheit, aus einer Art diffus zu sehen, zur Klarheit[...]â[5]
Die Ăbungen fördern ein Interesse an Genauigkeit und weiteren Entdeckungen. Es soll eine Grundlegende Ordnung erlangt werden, die es den Kindern ermöglicht ihre Umwelt bewusster wahrzunehmen und in ein bestimmtes System einzuordnen. Ohne dieses Ordnungssystem werden EindrĂŒcke aufgenommen und unwillkĂŒrlich abgespeichert. Dadurch entsteht ein Chaos im Kopf, welches die Kinder unruhig und angespannt macht. Der Geist des Kindes soll sich nicht in Impressionen zerstreuen, sondern wach arbeiten.
Die Kinder lernen ihre Umwelt genauer kennen und ĂŒberblicken diese schneller. Wenn sie z.B. einen Fensterrahmen betrachten bemerken sie, dass er die Form eines Rechtecks hat. Diese Impression wird dann gleich einem bestimmten Bereich zugeordnet. Oft ist es auch so, dass die Kinder plötzlich ganz erstaunt feststellen, dass der Himmel blau ist. Dies haben sie vorher einfach nicht wahrgenommen. Durch die Sensibilisierung der Sinne und aller Wahrnehmungen, können die Kinder viel besser einen Bezug zu ihrer Umwelt herstellen.
Man kann das Material demnach auch als RĂŒstzeug betrachten um die Welt besser kennen zulernen.[6] Dadurch, dass das Kind die Umwelt schneller ĂŒberblicken und einordnen kann, stellt die Aufnahme neuer Informationen keine starke Anstrengung mehr fĂŒr sie dar. Die KonzentrationsfĂ€higkeit wird gefördert. Die Kinder können zur Ruhe, Kraft und zum Gleichgewicht der Persönlichkeit kommen.
Sobald das Kind eine Ordnung verinnerlicht hat, legt es das Material beiseite und wendet sich einer neuen TĂ€tigkeit zu.
[4] Vgl. Helming, H.: Montessori-PĂ€dagogik. S 45 â47.
[5] Vgl. Ebd. S.48.
[6]Vgl. Ebd. S. 49
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